PETAL (Performing, Experiencing and Theorizing Augmented Listening)

Interpretation and Analysis of Macroform in Cyclic Musical Works

Das Projekt PETAL strebte an, mittels einer Verknüpfung quantitativer und qualitativer Methoden, zusammengefasst im Konzept des „augmented listening“ (Nicholas Cook), das Feld von musikalischer Analyse und Aufführung auszuleuchten. In den Mittelpunkt rückte eine aufführungsbezogene Analyse musikalischer Großform, indem Strategien ausführender Musiker*innen zur Interpretation zyklischer Werke systematisch untersucht und kategorisiert wurden. Dabei wurde der Gedanke aufgegriffen, dass musikalische Form nicht allein in der Partitur begründet ist, sondern auch „in Echtzeit“ (R. Hill) durch Interpret*innen mittels einer spezifischen Disposition von Tempo, Dynamik, Artikulation etc. hervorgebracht wird. Diesen Gedanken weitergedacht könnte eine Folgerung lauten, dass musikalische Form sich letztlich erst im Moment der Aufführung konstituiere. Gleichwohl haben wir den musikalischen Text und die klingende(n) Interpretation(en) als maßgebliche Repräsentationsformen eines Musikwerks betrachtet. Ziel war es nicht, Aufführungen bloß als verschiedene Interpretationen eines fixierten Notentexts miteinander zu vergleichen oder Werturteile über sie abzugeben, sondern vielmehr die Eigenständigkeit einer klingenden Interpretation in Bezug auf die schriftliche Vorlage hervorzuheben.

Wir haben Korpusstudien zu zyklischen Werken des Soloklavier- und Liedrepertoires des 18. bis 20. Jahrhunderts angestrengt, darunter so komplexe Zyklen wie Bachs „Goldberg-Variationen“, Beethovens „Diabelli-Variationen“, Schuberts Winterreise, Mahlers Lied von der Erde, Schönbergs Sechs kleine Klavierstücke op. 19 und Kurtágs Kafka-Fragmente für Sopran und Violine op. 24. Zur Anwendung gelangte ein dreigliedriger methodischer Ansatz:

1. Forschungen zu Sekundärquellen über das Verhältnis von Analyse der musikalischen Großform und Aufführungspraktiken;
2. Auf der Kombination von quantitativen (computergestützten) und qualitativen Methoden basierende Untersuchungen von Tonaufnahmen mit dem Ziel, die Aufführungs- und Aufnahmegeschichte der genannten Werke umfassend zu dokumentieren;
3. Dialogische Formen von Aufführungsforschung in einer Serie von interaktiven Workshops, um den Austausch zwischen Forscher*innen und ausführenden Musiker*innen auf eine neue Stufe zu heben (einschließlich Hörer*innen mit und ohne Expert*innenwissen)

Forschungsleitend war die Hypothese, dass unterschiedliche Aufführungskonzepte in Bezug auf die Großform bei ein und demselben Musikwerk substantielle Auswirkungen auf die Art und Weise haben können, wie diese Form (klingend) erfahren und (theoretisch) analysiert wird, und diese Konzepte aufführungspraktisch ebenso merkliche Konsequenzen zeitigen können. Unsere Forschung versuchte so, den Nachweis zu führen, dass praktische, klingende Interpretationen vollgültige Analysen eines Werks darstellen.

PETAL - Endbericht

final report [PDF-download, öffentliche Fassung, 2020-10]